Vorfreude

Vorfreude ist vielfältig und setzt sich aus Neugierde und Erwartungen zusammen. Kann Sean Hazels Erwartungen erfüllen? Oder kann die Realität nicht mit ihren Fantasien mithalten?

Hazel

Ich starrte auf den Zettel auf meinem Kopfkissen; eine Nachricht von Sean. Der Liebe meines Lebens, der so viel von mir verlangte. Der sich nie scheute, ein Stück weiterzugehen oder sich zurückzuziehen, je nachdem, was er bei mir fühlte, bemerkte und erfasste. Aber er verlor nie seine Präsenz. Sogar jetzt, wo er nicht bei mir war, zumindest nicht physisch. Dennoch spürte ich ihn mit jeder Faser meines Bewusstseins. Das, was ihn zum Master meines Herzens, meines Körpers und meines Verlangens machte, allein durch diese paar Worte.

Komm in den Blauen Salon, 20 Uhr.

Da er seine Lust auch im Sadismus fand, fragte ich mich oft, ob es ihm reichte, was er mit mir machen konnte, um mich nicht zu überfordern. In letzter Zeit kamen unsere „besonderen“ gemeinsamen Momente etwas zu kurz. Sean arbeitete sehr viel, und eine gute Session ließ sich nicht in zwanzig Minuten abhandeln.

Eine erfolgreiche Session reichte tief und wirkte nach, manchmal stundenlang oder sogar tagelang. Daher ging er nie überstürzt vor.

Auf der Stelle jagte Aufregung durch meinen Körper, die Vorfreude auf das, was er mit mir machen würde. Wie sehr er mich in diesen Rauschzustand zwang, in dem ich mich völlig fallen ließ, weil er sich nicht mit weniger zufrieden gab.

Ich schaute auf die Uhr. Er gab mir eine halbe Stunde, um mich vorzubereiten, und ich nutzte die Zeit, um zu duschen. Dann hüllte ich mich in einen Bademantel. Ich schminkte mich nicht, weil ich wusste, dass er mich zum Weinen bringen würde.

So oder so.

Vorfreude war wirklich die schönste Freude, denn sie ließ Raum für die eigene Fantasie. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich schloss kurz die Augen, um das erregende Gefühl in mich aufzunehmen. Mein Magen flatterte und ich spürte mich ganz deutlich. Wie ich atmete, wie meine Haut überall kribbelte. Wie mein Körper bereits jetzt auf ihn reagierte.

Wie mein Verstand meinem Körper folgte.

Wie ich Sean folgte.

Ich eilte durch das Sadasia und blieb kurz vor dem Blauen Salon stehen, einem meiner Lieblingsräume, was Sean natürlich wusste. Ich griff nach der Türklinke und drückte sie herunter. Schon jetzt stieg meine Nervosität, meine Erwartungshaltung, was Sean in den nächsten Stunden mit mir vorhatte.

Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und ich blieb einen Moment stehen, um die Atmosphäre des Raumes auf mich wirken zu lassen. Die flackernden elektrischen Fackeln, die die eleganten Möbel und mich in ein sinnliches Licht tauchten. Auf dem gepolsterten Tisch stand eine Truhe, und ich wusste, dass Sean sie für mich dorthin gestellt hatte, was die auf ihr liegende Karte bestätigte. Ein weiterer Befehl von ihm.

Such dir drei Dinge aus.

Wie spannend.

Sean kannte mich und wusste, worauf ich stand. Natürlich würden in der Truhe auch Utensilien sein, die ich nicht mochte. Die ich sogar verabscheute. Aber er würde meine Vorfreude nicht enttäuschen, schließlich lag ihm viel daran, meine Bedürfnisse zu befriedigen.

Mein Puls raste, als ich meine Hand auf die glatte Oberfläche der Ledertruhe presste, die so geschmackvoll wirkte wie der Blaue Salon. Vielleicht würde Sean mich auf den Tisch oder an das Andreaskreuz fixieren. Möglicherweise würde er auf die Fesselung verzichten, was mir besonders viel Disziplin abverlangte, denn mich nicht zu bewegen, während er sich um mich kümmerte, war äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

Mein Puls schlug immer schneller, je länger ich darauf wartete, die silbernen Schnallen zu lösen und den Deckel hochzuklappen. Ich liebte es so sehr, wenn er mit meinen Erwartungen spielte, ein Vorspiel der besonderen Art, das mich bereits erregte.

Ich brauchte zwei Anläufe, bis es meinen zitternden Fingern endlich gelang, die Truhe zu öffnen. Natürlich verbarg blaue Seide den Inhalt. Meine Erwartung, dass es sich um ein Negligé handelte, erfüllte sich leider nicht. Es war nur ein Stück Stoff.

Meine Vorfreude erhielt einen empfindlichen Dämpfer, als ich feststellte, dass sich keine Ledermanschetten im Inneren befanden, die mir immer ein Gefühl von Sicherheit gaben, sobald Sean sie um meine Handgelenke drapierte. Stattdessen befanden sich Kabelbinder darin, die ich wirklich nicht mochte. Sie konnten wehtun und gaben mir nichts. Statt meines geliebten Floggers entdeckte ich einen Rohrstock, ein wirklich fieses Ding. Um meine Vorfreude endgültig auszulöschen, hielt ich als nächstes einen Knebelball in den Händen, gefolgt von einem knallroten Latexanzug.

Ich hasste Latex.

Es schnürte mich ein, nahm mir die Luft zum Atmen und ich fühlte mich sehr unsexy darin. Schließlich besaß ich Rundungen, die sich unter dem Material wenig charmant abzeichneten, um es schmeichelhaft auszudrücken. Außerdem gefiel mir das starke Schwitzen darin überhaupt nicht.

Nein, ich war kein Latexfetischist.

Nadeln!

Am liebsten hätte ich das ganze scheußliche Zeug wieder in die Truhe geworfen und mich anschließend wütend ins Schlafzimmer zurückgezogen. Aber ich wusste, Sean würde mich dafür zur Verantwortung ziehen.

Das brachte die Aufregung zurück, die sich von dem wunderbaren Gefühl der Vorfreude deutlich abhob, da sie diesmal nicht positiv auf mich einwirkte. Um ehrlich zu sein, schnürte sich mir die Kehle zu, während ich mit den Tränen kämpfte. Nicht nur vor Entsetzen, sondern auch vor Wut.

In diesem Moment knallte die Tür gegen die Wand und Sean stand im Türrahmen. Eine Flucht war unmöglich, es sei denn, ich benutzte mein Safeword, das mir auf der Zunge herumhüpfte. Das flackernde Licht zuckte über sein Gesicht. Das Kribbeln in meinem Magen kehrte zurück, ebenso wie die Erregung.

Wie die Vorfreude.

„Dolcezza!“ Die Liebkosung floss von seinen Lippen. „Du bist enttäuscht von meiner Auswahl.“ Er trat ins Zimmer, und die Tür schlug mit einem unheilvollen Geräusch zu, das seine ebenso unheilvollen Absichten unterstrich. „Du bist genau in dem Zustand, in dem ich dich haben wollte. Und ich habe mich sehr darauf gefreut.“ Er kam näher, einen Schritt nach dem anderen, wobei er sie ebenso akzentuierte wie seinen Tonfall.

Erst jetzt bemerkte ich die dunkelblauen Manschetten, die er in einer Hand hielt, sowie den Flogger.

„Du bist so ein Arsch“, brach es aus mir heraus.

Ich lernte es nie.

Nie nicht niemals.

Ich war beratungsresistent.

„Ah, mein süßes angepisstes Wuthörnchen. Ich hole jetzt ein Utensil aus der Truhe und werde es an dir anwenden. Du weißt, wie verhängnisvoll es ist, mich zu beleidigen, mich derart anzugiften. Mir sowohl mit deinen Blicken als auch mit deiner Körperhaltung Botschaften zu schicken, dir mir nicht gefallen.“ Er griff nach meinem Kinn und hielt es fest. Mit genau dem richtigen Druck, kurz davor, mir wehzutun, fest genug, um seine Überlegenheit zu demonstrieren.

Ich liebte diese Wirkung auf mich.

Sean ließ mich los, bohrte seinen Blick in mich hinein, legte die Handschellen und den Flogger auf den Tisch. Er hob beide Augenbrauen, was er nur tat, um mich herauszufordern, bevor er Sekunden später den Rohrstock in der Hand hielt.

„Vier! Und schön stillhalten, sonst muss ich wieder von vorn anfangen. Zieh den Bademantel aus und beug dich über den Tisch.“

Hier beende ich die Szene, was mich als Autorin freut, denn ich weiß genau, wie sehr ihr wissen wollt, wie es weitergeht. Für alle die Sean und Hazel nicht kennen, ihre Geschichte könnt ihr in „Feuerperlen“ lesen. Natürlich tauchen die beiden in der ganzen Reihe auf.

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Wie gestaltet sich die Vorfreude bei mir, wenn ich einen neuen Roman beginne, der stets mit einem Funken anfängt? Einer Idee, die bereits nach kurzer Zeit lichterloh brennt.  Schließlich gibt es keine Trennung beim Schreiben zwischen der Autorin und  Linda. Wir bilden eine Einheit.

Ich liebe es, wenn neue Figuren oder eine Idee in meinem Kopf entstehen. Meistens passiert das ganz plötzlich. Auf einmal sind sie da, die Romanfiguren, die ihre Geschichte erzählen wollen. Oft geschieht es beim Wandern, wenn ich über schmale Pfade gehe und nur der Wind durch die Baumwipfel rauscht. Und dann beginnt für mich die Vorfreude auf das neue Buch, auf interessante, spannende, aufregende und auch erregende Passagen.

Wie werden sich die Figuren entwickeln?

Wohin wird ihre Reise gehen?

Da ich ein reiner Bauchschreiber bin, weiß ich selbst nicht, was die Figuren alles erleben werden. Aber eines ist sicher: Es wird ein Happy End geben, jedenfalls wenn es sich um romantische Romane handelt. Es wird lustig, dramatisch und spannend.

Wird das Buch den Leserinnen gefallen?

Wollen sie weiterhin Romane aus der Federzirkel-Reihe lesen?

Werden sie mich auch in neue Gefilde begleiten?

Ich liebe jedes meiner Bücher und arbeite mit Leidenschaft und Herzblut an jedem Band. Ich frage mich natürlich, ob ihr das beim Lesen auch spürt. Die Vorfreude auf die ersten Reaktionen, die eine Mischung aus so vielen Emotionen ist. Natürlich weiß ich, dass ich nicht jeden Geschmack treffe, das wäre unmöglich.

Aber treffe ich den Geschmack meiner Leser, die mich seit Jahren begleiten, viele vom ersten Tag an? Werde ich neue Leser gewinnen?

Sobald die Idee steht, entwerfe ich den Klappentext und das Cover. Beides brauche ich vorher, um mich in das neue Buch einzufühlen, um mich mit ihm zu verbinden. Ich gehe jeden Schritt mit Vorfreude an, die meine künstlerische Seele bereichert. Ich liebe es, Dinge zu entwerfen. Cover zu gestalten und inzwischen auch Buchtrailer.

Ich liebe es außerdem, Romane zu schreiben, von denen ich nicht weiß, ob sie Erfolg haben werden. Aber auch das brauche ich, um die Vorfreude nicht zu verlieren. Die Freude, die ich beim Schreiben empfinde, die mich durchdringt und nicht loslässt, selbst nach vierzig Romanen, die ich bisher veröffentlicht habe. Die Begeisterung, die die Unsicherheit auslöscht.

Hier einige Zeilen aus Mitternachtsbeute:

Ich ließ ihre Handgelenke los, und was als Bestrafung in meiner Halle begonnen hatte, endete nun damit, dass ich sie liebte. Ich konnte diese Lust nicht anders beschreiben.

„Ich wusste, dass ich dich aus der Reserve locken kann“, flüsterte sie, bevor ich sie küsste.

Feuerbiest!

Sie war ungebrochen, wunderschön, und ich würde sie nie zähmen können, nicht zuletzt, weil es mir widerstrebte. Schließlich reizte sie mich gerade wegen ihrer frechen Art.

Keine Dämonin würde es wagen, mich so herauszufordern.

Keine Dämonin würde es wagen, mich so wütend anzustarren.

Shea dagegen … sie war wie ein Sturm, dem ich nicht standhalten konnte.

Der mich aufwirbelte und an den Grundfesten meiner Welt rüttelte.

Der meine Prinzipien infrage stellte.

Wecke ich bei euch Vorfreude? Auf den Roman mit dem heißen Dämonenkönig und der frechen Diebin, die er in seinen Palast entführt. Werden die Leserinnen, die Kriegsbeute liebten, auch Mitternachtsbeute lieben? Dieser Band unterscheidet sich von den anderen drei Bänden der Mitternachtsreihe, da es nur um Babylonus und Shea geht. Um die Kunst der Unterwerfung. Um die Kunst des Loslassens.

Diese Ungewissheit ist spannend und gehört zu jeder Veröffentlichung dazu.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und bedanke mich bei Margaux Navara für die Einladung zur Blogtour und bei meinen Kolleginnen für die vielen wunderbaren Beiträge zum Thema. Persönliche Einblicke in das Schreiben und was jede Autorin mit dem Begriff Vorfreude verbindet.

Eure Linda Mignani

14 Gedanken zu „Vorfreude“

  1. Oh ich liebe die beiden so wie alle deine Protas. Ob Federzirkel die Insel oder alle anderen. Es ist immer ein Fest der Sinne und der Spannung was du schreibst.

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  2. Den federzirkel zu lesen ist für mich wie nach Hause zu kommen und Familie mittlerweile schon zu besuchen. Sean und hazel sind neben john und Viola mein liebstes Pärchen. Jeder hat seine eigenen macken und Schwächen und Stärken aber die beiden ergänzen sich so sehr. Ich liebe sie. Ich kann kaum erwarten das es weiter geht beim federzirkel und im sadasia

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  3. Liebe Linda,
    superschöner Schnipsel, das erhöht die Vorfreude bei mir auf deinen neuen Roman immens. Mittlerweile bin ich so süchtig nach deinen Büchern, so dass ich, wenn ein neues Buch rauskommt, die ganze Nacht lese. Wobei es mir dann völlig wurscht ist, ob ich am nächsten Tag arbeiten muss. Schlag Mitternacht gehört es mir und wird sofort verschlungen.

    Sean und Hazel sind meine Lieblingsprotas, wobei auch alle anderen einen Platz in meinem Herzen haben.

    LG Ute

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  4. Ein toller Schnipsel, ich liebe Sean und Hazel und all die anderen, ich liebe den Federzirkel und das Sadasia‘s, das BDSM Ressort die Insel, ach ……. ich liebe alle Deine Bücher. Sie sind einmalig und die Vorfreude steigt ins Unermessliche auf all das, was noch Neues von Dir kommen mag. Mach weiter so und Du machst uns alle glücklich.

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  5. Ich liebe den Federzirkel, die Insel, ach und sowieso deine ganzen Bücher 🥰 ich freue mich immer wieder etwas über den Federzirkel zu lesen, John und Viola die den Anfang machten haben mich sofort in ihren Bann gezogen und so wurde ich Fan des Federzirkels.
    Ich freue mich schon auf weitere Bücher von dir

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    • Vielen Dank, liebe Dagmar. Ich bin sehr froh, dass du den Federzirkel ebenso liebst wie ich. Drei weitere Teile sind geplant und mal sehen wie es dann weitergeht.

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      • Hi Linda,
        ja, bitte den Federzirkel weiter schreiben!!
        Hatte schon Angst, dass Du die Buchreihe abschließt!!

        Eine Bitte hätte ich noch:
        Der Band 14 der Federzirkel-Buchreihe ist z. Z. nur als eBook (bei Amazon) erhältlich, was mir leider nichts nutzt, da ich nur “richtige” Bücher lese.
        Ich hoffe dich, dass die Buchreihe auch in “Papierform” weiter veröffentlicht wird?? Es wäre sooo schade für mich …

        Dir danke ich ganz besonders für Deinen herzerfrischenden Humor, der mich immer wieder regelrecht aus Deinen Büchern “anspringt” 🙂
        Bitte mach weiter so – Du weißt nicht, wie sehr Du mich oft mit Deinen Büchern berührst!!

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        • Liebe Brigitte,
          natürlich wird es Berührungen aus Samt und Feuer auch als Taschenbuch und als Hardcover geben. Sie lassen sich bei Amazon nicht als Vorbestellung eingeben. Sie werden zeitgleich zum E-Book erscheinen. Vielen Dank für diese lieben Worte.

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